Dienstag, 28. Mai 2019

Schloss Favorite Rastatt | Allgemeines Wie bewahrt man historische Gläser? Forschungsprojekt Glaskorrosion

Gläser altern – auch die kostbaren Gläser der Sammlung in Schloss Favorite Rastatt. Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg haben die Ursachen der Schäden und vor allem Schutzmaßnahmen in einem über mehrere Jahre angelegten Forschungsprojekt untersuchen lassen. Die Ergebnisse der Studie konnten jetzt gemeinsam mit den Projektpartnern, der Veste Coburg und dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC) in Wertheim-Bronnbach, in Schloss Favorite vorgestellt werden.

BAROCKE GLÄSER DER FAVORITE GEBEN DEN ANLASS

Schloss Favorite birgt eine außerordentliche Sammlung kostbarer historischer Gläser. Die Sammlung geht im Kern zurück auf Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden (1675– 1733), die auch die Bauherrin des Schlosses war. Ab 1710 ließ sie das Lustschloss errichten, als Sommerresidenz und um dort ihre umfangreichen Sammlungen von Porzellanen und Glasobjekten auszustellen. „Unsere Restauratoren haben bei ihren laufenden Überwachungen und Kontrollen in den letzten Jahren an manchen der historischen Gläser Schäden beobachtet: Das Material drohte sich teilweise zu zersetzen“, erläutert Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg.

 

UMFANGREICHES FORSCHUNGSPROJEKT MIT PARTNERN

Bei der Suche nach dem möglichen Umgang damit zeigte sich: Es gibt wenig Wissen über diese Glaskorrosion. Ursachen und Abläufe sind weitgehend unerforscht – und ebenso wenig weiß man über die Möglichkeiten der konservatorischen und restauratorischen Betreuung, vor allem unter den besonderen Bedingungen von historischen Gebäuden. Daher setzten die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ein umfangreiches Untersuchungsprojekt auf die Agenda. Die Ergebnisse dieses auf mehrere Jahre angelegten Forschungsvorhabens konnten jetzt in Schloss Favorite präsentiert werden. Geschäftsführer Michael Hörrmann stellte sie zusammen mit Werner Hiller-König, Restaurator bei den Staatlichen Schlössern und Gärten und gemeinsam mit der Stellvertretenden Leiterin Dr. Katrin Wittstadt und Gabriele Maas-Diegeler, Internationales Zentrum für Kulturgüterschutz und Konservierungsforschung IZKK vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC Wertheim-Bronnbach, vor.

 

DIE GLÄSER DER SAMMLUNG DER MARGRÄFIN

Über die einzelnen Gläser der Sammlung in Schloss Favorite ist wenig bekannt. Was man weiß: Zum Erbe der Sibylla Augusta gehörte von der Seite ihres Vaters Herzog Julius Franz von Sachsen-Lauenburg unter anderem eine böhmische Glashütte. Daher lag es nahe, die Zusammensetzung der Gläser aus Schloss Favorite mit der von Gläsern in anderen Sammlungen zu vergleichen, bei denen die Provenienz bekannt war. Und der Verdacht bestätigte sich. Viele stammen wohl tatsächlich aus böhmischen Glashütten. Besonders die Kunstsammlung der Veste Coburg bietet viele Vergleichsbeispiele. Die Staatlichen Schlösser und Gärten gingen daher eine Kooperation mit dem bayerischen Museum ein. Mit der weiteren Untersuchung beauftragt wurde das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC) in Bronnbach.

 

DAS PROJEKT UND SEIN ABLAUF

Das Fraunhofer-Institut definierte in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Schlössern und Gärten zunächst das Ziel: Wege zu finden für den präventiven Schutz historischer Gläser in historischen Räumen. Dabei stellte sich schnell heraus, dass viele Grundlagen fehlten – es gab noch nicht einmal eine eindeutige Benennung aller Korrosionszustände. Untersucht wurden die aktuellen Ausstellungsbedingungen in Schloss Favorite und deren Einfluss auf die Exponate. Dann wurden unterschiedlich befallene Gläser und ihre chemisch-physikalische Zusammensetzung in Augenschein genommen. Zugleich unterzog man Probegläser einer künstlichen Alterung unter Laborbedingungen. Und man entwickelte eine einheitliche Benennung für die beobachteten korrosiven Zustände. 

 

WAS IST GLASKORROSION

Grundlage für das Konzept waren Messungen an verschiedenen Standorten und ausgewählten Glasobjekten über mehrere Monate. Diese Messungen in Schloss Favorite – und als Gegenmessung in den Depots der Restaurierungswerkstätten Karlsruhe – konnten bereits Ende 2015 abgeschlossen werden. Zuerst klärten die Fachleute, was bei der Glaskorrosion genau an Prozessen ablief. Eindeutig zeigte sich, dass es sich eine Wechselwirkung der Glasoberfläche mit der Umgebung handelt – also mit dem Raumklima. Der Effekt der Korrosion können beispielsweise Bestandteile der Glasmasse zu einem weißlichen Belag auskristallisieren. An der Glasoberfläche entsteht eine sogenannte „Gelschicht“, in der die Netzwerkstruktur der Glasmasse instabiler wird. Die Gelschicht reagiert empfindlich gegenüber Schwankungen in der Umgebung und neigt durch Schrumpfungs- und Quellprozesse dazu, Risse zu bilden. Entfernen sollte man diese Schadensschicht allerdings nicht, damit würde die originale Oberfläche des Glases gefährdet. Der Nachteil: Die Korrosionsschicht verändert das Erscheinungsbild des Glases, von einer Wolkenbildung bis zu einem milchigen, opaken Belag. Was sich auch zeigte: Die Gelschicht fungiert als Schutz und verhindert das weitere Auslaugen der Glassubstanz.

 

WAS SIND DIE UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE?

Eindeutiges Ergebnis: Die jahreszeitlichen Schwankungen im Schloss zeigen ihre Wirkung. Die Räume sind nicht beheizt, sodass das Raumklima unmittelbar durch die Witterung beeinflusst wird. Und es zeigte sich auch, dass die korrosive Wirkung im Sommer mit seinen höheren Temperaturen höher lag als im Winter. In gleichmäßig klimatisierten Räumen, wie sie etwa das Depot der Staatlichen Schlösser und Gärten in Karlsruhe bietet, zeigten die Glassensoren durchgehend unproblematische Umgebungsbedingungen an.

 

WIE GEHT ES IN FAVORITE WEITER?

Die Gläser der Markgräflichen Sammlung stehen seit Generationen in den unklimatisierten Räumen der Favorite – ein historischer Zusammenhang, der erhalten bleiben soll. Um die eher ungünstige Situation zu verbessern, reichen kleine Veränderungen in der Ausstellungsgestaltung. Wichtig, so die Erkenntnis, ist aber auch die genaue Dokumentation des Zustandes der Gläser und ebenso wichtig sind klare Handlungsanweisungen bei Veränderungen der Gläser, damit sie nach wie vor dort gezeigt werden können, wo sie seit Jahrhunderten stehen. „Die Erkenntnisse dieses Projektes werden den Umgang mit historischen Gläsern künftig bestimmen“, fasst Geschäftsführer Michael Hörrmann zusammen. „Auch wenn das Projekt noch nicht endgültig abgeschlossen ist: Wir können schon jetzt erkennen, dass der Umgang mit historischen Hohlgläsern teilweise neu überdacht werden muss.“ Künftig sollen die Ergebnisse einfließen in einen „Glaskorrosions-Atlas“, der dann auch anderen Restauratoren zur Verfügung stehen kann. Er wird das Wissen zu den korrosiven Vorgängen und Handlungsanweisungen zum Umgang mit den geschädigten Gläsern allgemein zugänglich machen.

 

SERVICE UND INFORMATION

Schloss Favorite

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Gläsersammlung

Bildnachweis

Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Beck Coppola

Technische Daten

JPG, 2600x3463 Pxl, 0.79 MB